Alexander Müller

Gastbeitrag in der Tagespost: "Profi-Soldaten statt Zwangsdienst"

Alexander Müller MdB

Start einer Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Den Auftakt macht der verteidigungspolitische Sprecher der FDP- Bundestagsfraktion.

In früherer Zeit gab es die Möglichkeit, Kriege durch Masse an Personal zu gewinnen. Der Soldat musste mit einem Sturmgewehr umgehen können, lernte nebenbei noch eine Spezialisierung wie des Fahrers, Melders oder Funkers. All dies konnte in einem Jahr erlernt werden. Doch im 21. Jahrhundert haben sich die Kriege verändert. Das militärische Gerät besteht aus hoch technisierten Waffensystemen, bei denen das Erlernen der Funktion gegebenenfalls Jahre dauert.

In Zeiten von Cyberangriffen, in Zeiten, in denen Drohnen eine entscheidende Rolle auf dem Schlachtfeld spielen, in denen Panzerhaubitzen als Artillerieroboter selbstständig kämpfen können, da gewinnen wir keine Schlacht mit Massen an Infanteristen. Es ergibt daher Sinn, dass die Bundeswehr aus hoch spezialisierten Kräften besteht, die ihre komplexen Systeme beherrschen. Aus diesem Grund, und weil die Wehrgerechtigkeit nicht mehr gegeben war, haben die Freien Demokraten im Jahr 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt.

Angesichts des russischen Angriffskrieges und der Re-Fokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung mehren sich die Stimmen, diese wieder einzuführen, teilweise in der Hoffnung, unsere Wehrfähigkeit zu erhöhen. Viele Befürworter geben aber auch zu, dass der erzieherische Aspekt eine entscheidende Komponente der Forderung ist. Das lehne ich ab.

Die Wehrpflicht ist kostspielig, sie erfordert erhebliche finanzielle Mittel, um Unterkünfte, Ausrüstung und Ausbildung für die Wehrpflichtigen bereitzustellen. Sollten wir beispielsweise auf Basis des Mindestlohns entlohnen, kostet alleine die Entlohnung um die 20 Milliarden Euro im Jahr. Für eine Wiedereinführung bräuchten wir also ein weiteres Sondervermögen.

Wer wirklich dienen will, ist anders motiviert

Die Wehrpflicht schwächt zudem die Moral. Der Dienst an der Waffe sollte nur von Menschen wahrgenommen werden, die diesen auch wirklich ableisten wollen. Soldat zu sein ist etwas Besonderes, es verlangt Mut und Bereitschaft, für das eigene Land zu kämpfen.
Das scharfe Ende des Soldatenberufes ist der Tod. Diesen besonderen Beruf sollten nur Menschen wahrnehmen, die sich freien Willens dafür entscheiden.

Die Wehrpflicht greift weiterhin in die Freiheit und Selbstbestimmung der Menschen ein. In Friedenszeiten ist sie daher nicht zu rechtfertigen.
Menschen sollten selbst entscheiden, wo ihr Platz in der Gesellschaft ist und leisten durch ihre Ausbildung oder Studium und schließlich ihrem Beruf einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag, selbstbestimmt und frei.

Aus all diesen Gründen gibt es die Wehrpflicht auch nur noch in 5 der 30 NATO-Mitgliedsstaaten. Wir müssen das Personalproblem der Bundeswehr auf anders lösen: Bewerber sollten innerhalb einer Woche eine Antwort erhalten. Wer sich bewirbt, ist offensichtlich motiviert, vergeht bis zur Antwort allerdings ein halbes Jahr, bis Dienstbeginn gar ein ganzes Jahr, nimmt der Bewerber lieber einen Job in der freien Wirtschaft, die aufgrund des Personalmangels offensiv um junge Menschen buhlt.

Die Bundeswehr muss zudem ein attraktiver Arbeitgeber werden. Nicht nur, was die Rahmenbedingungen betrifft, sondern im konkreten Arbeitsalltag. Soldaten müssen daher beste Ausrüstung bekommen, über das nötige Gerät verfügen und beste Ausbildung erhalten. Daran haperte es aufgrund der Vernachlässigung der Bundeswehr durch die unionsgeführten Regierungen viel zu lange.

Der Soldatenberuf muss attraktiver werden

Nicht zuletzt sollte ein eigenes Soldatenlaufbahnrecht beschlossen werden, welches auf die Besonderheiten des Soldatenberufes eingeht. Dieses muss flexibler werden als das aktuelle Recht, Fachlaufbahnen ermöglichen, Quereinstiege erleichtern, Expertenverträge vorsehen. Haben wir Soldatinnen und Soldaten ausgebildet, sollten wir sie ein Leben lang an uns binden. Daher muss die Reserve gestärkt werden. Ehemalige Soldaten sollten im Idealfall mit der Truppe in Kontakt bleiben, regelmäßig üben, grundbeordert sein und daher genau wissen, was sie im Fall einer Krise zu tun haben.

Die Wehrpflicht ist keine Lösung für die Personalprobleme der Bundeswehr, davon bin ich überzeugt. Sie schränkt die Freiheit ein, ist teuer, ungerecht und erreicht nicht das Ziel der besseren Verteidigungsfähigkeit. Wir brauchen mehr Attraktivität für den Soldatenberuf auf freiwilliger Basis und eine Stärkung unserer Reserve. Motivierte Profis schützen uns besser als Menschen, die einen Zwangsdienst verrichten.

Der Autor ist verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Dem Bundestag gehört er seit 2017 an. Er ist Oberstleutnant der Reserve.

Quelle: Die Tagespost