Alexander Müller

Der Verteidiger deiner Freiheit: Wie kann der Ukraine-Krieg enden?

Vor kurzem hatte ich versprochen, noch einmal auf die Ukraine-Politik der Parteien im Bundestag einzugehen, denn hier entwickelt sich im Augenblick eine spannende Entwicklung innerhalb der SPD. Grundsätzlich stehen alle Parteien der Mitte solidarisch an der Seite der Ukraine, und wollen ihr helfen, die russische Aggression abzuwenden, und die ukrainische Demokratie und die Unabhängigkeit des Landes zu verteidigen. Dagegen standen schon immer die Linken (auch das neue Bündnis Wagenknecht) und die AfD, aus ähnlichen Gründen.
Gemeinsam haben die Parteien an den Rändern, dass sie keine Angst vor einer autokratischen Regierung ähnlich der russischen haben, weil ihre Partei-Programme sowieso in eine solche Richtung gehen, und es ihrer politischen Agenda nützt. Insoweit sehen sie eine Übernahme der Regierungsgewalt durch ein Putin-treues Marionetten-Regime nicht als Gefahr, weder in der Ukraine, noch im Rest Europas. Sie wären vermutlich diejenigen, die ein solches Regime in Deutschland führen würden, wenn es (Gott bewahre!) so weit käme. Nachdem über lange Zeit der Verdacht bestand, dass Putin’s Sprachrohre in Deutschland von Moskau aus finanziert werden, erhärtet sich jetzt ein konkreter Verdacht gegen den AFD-Politiker Bystron durch Audio-Mitschnitte tschechischer Behörden.
Aber viel wichtiger ist die Haltung der demokratischen Parteien der Mitte. Hier gibt es ebenfalls wichtige Differenzen in der Haltung zur Ukraine-Unterstützung: einen gewaltigen Sprung in eine positive Richtung haben die Bündnis-Grünen in den letzten Jahren gemacht. Die führenden Köpfe der Grünen haben sich sehr für die Entwicklung in der Ukraine interessiert, haben sich vor Ort informiert, und haben ihre pazifistische Außen- und Sicherheitspolitik nach Ausbruch des russischen Angriffs sehr schnell in einen wirklich realistischen Kurs geändert, und ich sage das mit aller Hochachtung. Mit den Grünen und der Union haben wir Liberalen in diesem Bereich fast keine Differenzen, hier ziehen alle an einem Strang. Problematisch sind große Teile der SPD, die aus unserer Sicht noch immer auf dem Stand von 1990 stehen geblieben sind. Das war die Zeit, in der der Sowjet-Kommunismus gerade kollabiert war, und die Hoffnung bestand, dass Russland eine Demokratie werden könnte, die sich friedlich in die Staatengemeinschaft und die Regeln des Völkerrechts einfügen würde.
Fast 25 Jahre danach wissen wir, dass dies nicht gelingen wird. Wladimir Putin hat sich den russischen Staat zur Beute gemacht, beherrscht mit Günstlingen und Oligarchen den Staatsapparat und die Wirtschaft, verbietet jede bedeutsame Partei und verhaftet oder tötet jeden, der ihm und seiner Macht gefährlich werden könnte.
Anfang März sagte Putin in einem Interview, gefragt nach Verhandlungen zu einem Ende des Krieges: „Nur weil den Ukrainern jetzt die Munition ausgeht verhandele ich doch nicht! Ich bin gerade dabei, diesen Krieg zu gewinnen, warum sollte ich mit irgendjemandem darüber verhandeln?“. Am nächsten Tag sprach der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich im Deutschen Bundestag davon, dass man diesen Krieg doch „einfrieren“ könnte. Abgesehen davon, dass Deutschland dies gar nicht entscheiden kann, ist es angesichts von Putin’s Äußerungen extrem naiv, zu glauben, dass man damit mehr Sicherheit und dauerhaften Frieden gewinnen könnte. Ein Waffenstillstand würde eine Kapitulation der Ukraine bedeuten, zu nichts anderem wäre Putin derzeit bereit. Es würden sich auf der Stelle Millionen Ukrainer auf die Flucht nach Westen, also zu uns, begeben. Es wäre ein Zeichen an die Welt, dass sich militärische Aggression lohnt, also der blutige Überfall auf andere Länder von der Weltgemeinschaft achselzuckend akzeptiert wird. Es würde Putins Lust am Erobern keinesfalls beenden, sondern im Gegenteil, er würde genau so weitermachen, wie er es auch schon in Tschetschenien und Georgien gemacht hatte, es wäre nur dieses Mal das nächste europäische Land dran. Selbst bei einem (von Mützenich angestrebten) Waffenstillstand würde der Krieg in wenigen Jahren wieder ausbrechen, das zeigt gerade die Ukraine, wo wir dies schonmal gesehen hatten.
Die SPD begründet ihre Haltung gegenüber der Ukraine mit der Angst vor der russischen Militärmacht, und mit Stammtischparolen wie der, dass Waffen keinen Frieden bringen würden. Wie gut, dass vor 80 Jahren Roosevelt, Eisenhower, Churchill und de Gaulle anders getickt haben. Hätten die Alliierten eine solche Einstellung gehabt, hätten wir heute ein ganz anderes Europa. Wenn man diese SPD-Haltung weiterdenkt, dann heißt es in der Konsequenz: Völkerrecht hin oder her, es spielt keine Rolle mehr. Wer die meisten Waffen hat, der darf sich alles erlauben, der darf schreckliche Kriege anzetteln, und wir schauen dabei zu.

 

Ich bin der festen Überzeugung: Der Krieg wird dann enden, wenn die Russen merken, dass sie nicht weiterkommen. Wenn wir die Ukraine weiter unterstützen mit allem, was wir haben, und es zu einem Fronten-Stillstand wie im vergangenen Jahr kommt, bei dem die Russen einsehen müssen, dass sie diesen Angriff nicht fortsetzen können. Dann wird es zu Verhandlungen und einem Waffenstillstand kommen, bei dem die Ukraine selbst bestimmen kann, wie es mit ihrem Land weitergehen wird, und in welche Richtung sie sich entwickeln will. Und Putin muss einsehen, dass es der Welt eben nicht egal ist, wenn Angriffs-Kriege angezettelt werden, und die Weltgemeinschaft solidarisch dagegen zusammensteht. Er wird sich überlegen müssen, ob er so weitermachen kann.

Mein Kollege Michael Roth (SPD) aus Nordhessen wird das Handtuch werfen und aus dem Bundestag ausscheiden, was mich traurig macht. Er ist ein unglaublich erfahrener Außenpolitiker, der aber für seine Haltung von der eigenen Partei abgestraft wird, und jetzt frustriert aufgibt. Die Sozialdemokraten haben versucht, Gerhard Schröder aus der Partei loszuwerden, aber im Grunde setzen sie sein Vermächtnis in der Außenpolitik weiter fort. Legendäre Fehlentscheidungen wie die 5000 Helme bei Kriegsausbruch, die lange Weigerung, Panzer abzugeben, und die jetzigen Versuche, die Ukraine zur Kapitulation zu bewegen zeigen, dass die Sozialdemokraten noch eine lange Strecke vor sich haben.