Alexander Müller

Der Verteidiger deiner Freiheit: Wettrüsten

Auf dem NATO-Gipfel in Washington wurden vergangene Woche zwei Entscheidungen beschlossen, die für uns bedeutsam sind. Zum einen wird die NATO in Wiesbaden eine neue Einheit gründen, die sich zentral mit der Koordinierung der Unterstützung der Ukraine befassen wird. Ein deutscher General wird dort stellvertretender Kommandeur werden, und etwa 700 Mitarbeiter wird diese neue Einheit am Ende haben.
Zweitens wurde vereinbart, dass die Amerikaner weitreichende konventionelle Abstandswaffen in Deutschland stationieren werden, um unsere Verteidigungsbereitschaft zu erhöhen.
Es ist die Antwort auf die russischen Marschflugkörper in Königsberg, mit denen deutsche Städte bedroht werden, und die einen Bruch mit dem früheren Abrüstungsvertrag „INF“ durch Russland darstellen. Diese russischen Marschflugkörper waren auch der Grund, warum das INF-Abrüstungsabkommen gescheitert, und mittlerweile außer Kraft ist.
Nun gibt es Stimmen in Deutschland, die befürchten, dass damit die Kriegsgefahr zunehmen würde. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Gegenteil richtig ist: Wladimir Putin hat immer wieder gezeigt, dass er gezielt Länder militärisch attackiert, die er als schwach empfindet. Er hat noch nie ein NATO-Land angegriffen, und damit das so bleibt, muss unser Bündnis geschlossen und stark sein. Wir hatten eine vergleichbare Situation schon einmal vor gut 40 Jahren: damals hatten wir angesichts der massiven Aufrüstung der Sowjets mit Atom-Raketen dem sogenannten „NATO-Doppelbeschluss“ zugestimmt, so dass die NATO wieder auf Augenhöhe mit dem sowjetischen Arsenal kam.
Es war damals in Deutschland eine enorme Aufregung, der damalige Kanzler Helmut Schmidt wurde fast von der eigenen Partei abgesetzt, aber die Geschichte hat ihm recht gegeben.
Die Sowjetunion hat gemerkt, dass sie ebenfalls immer gleichsam bedroht wäre, und kam an den Verhandlungstisch. In der Folge wurden etliche Abkommen zur nuklearen Abrüstung verhandelt und beschlossen, sie hießen START, INF, KSE, New START, und einige weitere mehr. Die späten 80er und frühen 90er Jahre waren die Ära der großen Abrüstungsverträge, eine Folge des NATO-Doppelbeschlusses. Die Welt wurde damals dermaßen friedlich, dass Deutschland seine Bundeswehr von gut 500.000 Soldaten (1990) bis auf heute 181.000 Soldaten zusammengeschrumpft hatte, die Ausrüstung wurde bekanntermaßen ebenfalls kaum erneuert, die Folgen kennen wir alle.
Ich denke, dass Joe Biden sieht, dass er wohl kaum eine zweite Amtszeit bekommen wird, und dass er jetzt noch rechtzeitig Fakten schaffen will. Donald Trump, der heute knapp einem Attentat entging und der sich hoffentlich schnell von seiner Ohr-Verletzung erholt, dürfte jetzt kaum noch zu stoppen sein. Er wird die USA wieder in die Isolation führen, er wird wie damals US-Truppen von überall einsammeln und wieder nach Hause holen. Er wird uns erneut teure Forderungen stellen, und uns drohen, Europa nicht mehr zu schützen, wenn wir seine Bedingungen nicht erfüllen.
Bemerkenswert fand ich den Auftritt von Sahra Wagenknecht vergangene Woche bei Maybritt Illner, es ist das Paradebeispiel, wie Populisten mit Unwahrheiten, Tatsachen-Verdrehung und Stammtisch-Parolen agieren, um möglichst viele Wähler damit zu verführen. Sie hat behauptet, Deutschland gebe in diesem Jahr 90 Milliarden Euro für Rüstung aus. Die Wahrheit liegt bei knapp einem Drittel dieser Summe, aber sie macht es sehr geschickt: Durch das Erfüllen der NATO-Quote liegen unsere Staats-Ausgaben, die wir für die NATO zum militärischen zählen dürfen, bei gut 80 Milliarden Euro. Das Wenigste davon ist aber Rüstung! In diesem Betrag sind mit Masse die Gehälter unserer Soldaten, außerdem ihre Pensionen. Dazu zählen die Zinsen für das Sondervermögen Bundeswehr, dazu zählen alle Baumaßnahmen der Bundeswehr für Kasernen und Unterkünfte, dazu zählt die Flugbereitschaft der Bundeswehr, die den Kanzler und die Außenministerin um die Welt fliegen. All das packt Wagenknecht in einen Topf, legt nochmal 10% drauf und nennt diese Zahl dann „Ausgaben für die Rüstungsindustrie“. Sobald jemand aus der Runde versucht hat, ihren ganzen Lügen die Fakten entgegenzustellen, fällt sie dem anderen sofort ins Wort und wechselt das Thema. Leider hat die Moderatorin Illner in dieser Sendung komplett versagt, weil sie Wagenknecht einfach gewähren ließ. Wenn Wagenknecht beim Lügen erwischt wurde und in die Enge kam, zum Beispiel bei ihrer Behauptung, das Kinderkrankenhaus sei durch ukrainische Raketenteile getroffen worden (was durch Video-Aufnahmen klar widerlegt ist), dann kommen von ihr Sätze wie „ich will darüber jetzt gar nicht streiten, das ist ja gar nicht mein Thema“, um wieder das Thema zu wechseln. Aber sie vermittelt damit den Zuschauern mit ihren Behauptungen, dass es zwei Wahrheiten gäbe, und dass ja keiner so genau wisse, was eigentlich richtig sei. Russische Kriegsverbrechen, zu tausenden dokumentiert und bewiesen, negiert sie ganz schlicht mit der Begründung, dass im Krieg ja alle Seiten lügen würden. Entweder will sie die Wahrheit gar nicht wissen, oder sie verbreitet ganz bewusst die russische Propaganda. Diese Sendung hat wieder gezeigt, wie Populisten die Menschen verführen, und die Parallelen zwischen Donald Trump, AfD und Sahra Wagenknecht sind dabei erschreckend gleich: Das Schüren von Ängsten der Menschen, das bewusste Weglassen von Fakten und die Verdrehung von Tatsachen, und die Erklärung der eigenen Parallelwelt und das Ablehnen aller Tatsachen, die beweisen, dass diese Parallelwelt nicht real ist. Wir werden mit diesen Populisten noch sehr, sehr viel zu tun haben. Vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen würde ich als Beitragszahler erwarten, dass alle am Tisch den gleichen Rede-Anteil bekommen und man den ganzen Lügen auch die Fakten entgegenstellen kann, in einem vollständigen Satz. Diese Chance wurde leider wieder vertan.